… eine renommierte Auszeichnung!
Hätte zumindest, ganz ohne Scherz! Maileingang mit dem Inhalt, dass man nominiert sei für die Wahl zur „Agentur des Jahres“ – oder so ähnlich. Man muss nur antworten und schon steht man in der finalen Auswahl. Wow, da hat wohl jemand die präsentierten Arbeiten gesehen und muss nachhaltig beeindruckt gewesen sein. Ganz feine Sache. Anders k a n n es nicht gewesen sein. Oder doch? Man ist geneigt, sich äußerst geschmeichelt zu fühlen und fragt sich trotzdem: Wo ist der Haken? Weshalb ich? Wofür? Und warum erst jetzt?
Preise über Preise für die Besten der Besten!
Da müsste man ja schön blöd sein, wenn man da nicht mitmacht – oder? Da wird man schon freundlich eingeladen und zwar von denen, die es ja wissen müssen – und dann? Genau: Und dann?
Man befasst sich erst mal genauer mit der Sache; Und man stellt fest:
Der Award ist Bullshit.
Wirklich.
An dieser Stelle zuerst ein kleiner Einwurf: Ich werde einen Teufel tun, hier konkrete Namen oder Preisverleiher zu nennen! Die Portokasse ist einfach nicht voluminös genug, um eventuellen juristischen Auseinandersetzungen standzuhalten. Die Rechtsschutzversicherung, die im Zweifel dafür einspringt, ist vermutlich ebenfalls noch nicht gegründet. Wem nach detailierteren Details dürstet, dem sei eine einschlägige Suchmaschinen-Beauftragung ans Herz gelegt :) Denn:
Es gibt Awards für alles.
Und zwar wirklich für alles. Wenn man da mal anfängt genauer hinzusehen kommt man aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
Aber zurück zum Ausgangspunkt: Das erhaltene Angebot war verlockend – man muss nur einen klitzekleinen Fragebogen ausfüllen (mit Fragen übrigens, die man eigentlich überhaupt nicht falsch beantworten kann, um entsprechend erfolgreich angenommen zu werden…) und schon ist man dabei. Natürlich nicht ohne vorher ganz kurz noch die Teilnahmebedingungen per Unterschrift zu akzeptieren und einen dreistelligen Obulus zu entrichten.
Ein Erstes Problem.
Es kostet etwas? Jep, praktisch immer. Es gibt verschiedenste Variationen dieser Award-Verleihungen; Entweder man bezahlt gleich etwas um teilnehmen zu können, oder man bezahlt, wenn man die erste Hürde eines mehrstufigen Systems erfolgreich genommen hat. Bei anderen „Anbietern“ wiederum füllt man einfach den Fragebogen aus (gerne auch „Audit“) genannt und bekommt den Preis gleich, ganz unkompliziert und unpersönlich. Dann aber in der Regel nur in Form eines hübschen Badges als Datei für Website, Briefbogen und Visitenkarte, nebst downloadfähiger Urkunde zum selbst ausdrucken.
Bei den mehrstufigen Award-Verleihungen bekommt man am Ende dann in der Regel auch noch einen hübschen Pokal. Diese Variante wird dann allerdings preislich gerne mal schnell und heftig vierstellig. Für den Award-Gewinner wohlgemerkt – nicht für den Preisverleiher. Sogenannte „Service-Gebühren“ für den „Gewinn-Service“ inclusive pompösem Verleih-Abend mit Gala-Diner und gegebenenfalls diversen Prominenten (Oder Semi-, oder irgendwem).
Da ist dann zudem auch die Einreichung deutlichst aufwändiger, inclusive entsprechender Präsentation von Arbeiten etc. – allerdings auch wieder eher nicht in einem persönlichen Verfahren.
Auswahlverfahren und Jury (nächstes Problem).
Wer jetzt noch meint, dass da stets eine hochkarätige Jury aus unbestrittenen Experten die Probanden aus allen Himmelsrichtungen durchleuchtet und eine Abordnung dieser Jury dann auch vor Ort den Auszuzeichnenden auf Herz und Nieren prüft… dem sei gesagt: Fehlanzeige. Wie erwähnt – oft reicht ein simpler Fragebogen, die passende Überweisung, das wars. Award bekommen. Wer ihn verliehen hat ist dann auch schon egal. Award ist Award. Und man kann dann getrost künftige und bestehende Kunden und Geschäftspartner etcetera gehörig beeindrucken. Man ist ja immerhin preiswürdig. Aber sowas von.
Und jetzt stellt sich folgende Frage: Was zeichnet denn den Verleiher des Preises aus? WER ist das genau? Was befähigt den Verleiher zu seinem überragenden Urteilsvermögen? Anders gefragt: Welche Expertise macht denn den jeweiligen Award letzten Endes so wertvoll?
Grundsätzliches Problem.
Das ist alles irgendwo nicht mehr und nicht weniger als ein -anscheinend sehr lukratives- Geschäftsmodell. Sorry. Zumindest bei 98% dieser an jeder Ecke zu findenden Awards. Es scheint wirklich extrem wenige Awards zu geben, hinter denen tatsächlich mehr steckt und selbst diese sind offensichtlich kaum kostenlos!
Der Bullshit liegt darin, dass sehr oft reine Marketing- oder Design-Agenturen selbst Verleiher derartiger Preise sind und es gibt viel zu oft keinerlei auch nur ansatzweise habhafte Regularien oder ernsthafte Voraussetzungen. Nebenbei muss man sich in der Regel schlicht selbst bewerben, man wird da nicht ausgesucht. Höchstens eben von den Marketing-Agenturen, die ja entsprechend zahlende Kunden -entschuldigung- „Bewerber“ brauchen und fleissig Mails schreiben.
Allzu oft sind es auch irgendwelche größeren Unternehmen oder Namen aus spezifischen Branchen, die hier ein Marketinginstrument bedienen bei dem sie selbst die größten und die eigentlichen Gewinner sind. Ganz profan und monetär gesehen. Und natürlich sind es nicht nur „irgendwelche“ Unternehmen – man kennt sie selbstverständlich. Und sie alle haben gute Marketingabteilungen. Natürlich.
Wer bezahlt siegt?
Welchen wirklichen Wert hat nun ein Award oder ein Preis, ein Titel – was auch immer, bei dem man sich selbst möglichst blümerant darstellt und für einen (mit gutem Grund) oft nur mittel schmerzhaften Betrag irgend ein nichtssagendes Siegel erhält?
Nochmal anders gefragt: Wieviel ist so ein ‚Award‘ wert, den man einfach so einkaufen kann ohne jemals wirlich etwas Besonderes dafür leisten, oder sich zumindest irgendwie prüfen lassen zu müssen?
In meinen Augen einfach nichts. Nüchtern betrachtet kann die allermeisten dieser „Awards“ schlicht jeder bekommen, der bereit ist den aufgerufenen Betrag dafür zu bezahlen. Fertig. Das hat bestenfalls finanzielle Qualität. Nicht mehr.
Nicht alle Awards sind kompletter Unsinn.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Es scheint da durchaus Auszeichnungen zu geben, bei denen sowohl Hintergrund als auch Inhalt durchaus substanziell sind. Wo also wirklich Gutes von (fachlich) guten Juroren bepreist wird. Aber auch da zahlt der Auszuzeichnende wohl in der Regel seinen (nicht unerheblichen) Beitrag dazu. Es sei denn, ein Preis ist in irgend einer Form staatlicherseits ausgelobt und finanziert. Gibt es auch.
Nur: Diese Preise, Awards und Auszeichnungen wird der normale Handwerker, Steuerberater oder Designer wohl nie bekommen. Obwohl… inzwischen existiert eine derart inflationäre Menge an Awards (und und eine ebenso inflationäre Menge an Kategorien innerhalb einzelner Awards), dass zumindest die theoretischen Chancen dafür täglich steigen.
Fazit.
Rein hypothetisch betrachtet: Würde mir irgend jemand einen sustanziellen Award ganz ohne mein Zutun verleihen wollen, dann könnte ich mich dem vermutlich auch nicht verweigern. Aber brauchen tue ich das sicher nicht. Ganz zu schweigen davon, dass ich einen Teufel tun werde auch nur einen Cent für einen Award auszugeben um mich selbst, oder irgend jemanden sonst zu beeindrucken. Oder was auch immer. Da stecke ich Mühen und Aufwand lieber in meine Kunden-Projekte. Das bringt beiden dann auch wirklich etwas.
Wer mag, der darf sich so etwas gerne kaufen. Allerdings halte ich das persönlich nicht nur generell für kompletten Unsinn. Ich meine, es darf auch bezweifelt werden, ob das überhaupt noch irgend einen Sinn ergeben k ö n n t e angesichts der Masse dieser mannigfaltigen und höchst zweifelhaften „Awards“, mit denen man dann sprichwörtlich auch schon wieder in der Masse untergeht.
Abgesehen davon dürfte es angesichts der Umstände eigentlich nur noch eine Frage der Zeit sein, bis diese Auszeichnungen weitreichender als das angesehen werden was sie sind: Marketing-Blendgranaten ohne Wert. Und wenn das dann als Rückschluss auf den stolzen Award-Inhaber zurückfällt, hat man unter Umstanden ziemlich teuer für reichlich hämisches Grinsen bezahlt …
Gehen Sie lieber schön essen. Gerne auch mit Ihren Angestellten, sofern Sie welche haben.